Soll- und Ist-Versteuerung
Die Wahl zwischen der Soll- oder Ist-Versteuerung – auch Soll- und Ist-Besteuerung genannt – kann für viele Unternehmer, insbesondere Gründer, eine echte Herausforderung darstellen. Der Unterschied liegt im Zeitpunkt der Entstehung der Umsatzsteuerpflicht. Das kann zu Verwirrung und Unsicherheiten führen, beispielsweise wenn Kunden ihre Rechnungen verspätet bezahlen, die Rechnung aber bereits dem Finanzamt als umsatzsteuerpflichtiger Posten gemeldet wurde.
Oftmals stehen Unternehmer dann vor der Frage, wann sie die Umsatzsteuer eigentlich an das Finanzamt abführen müssen – direkt nach Rechnungsstellung oder erst nach Zahlungseingang. Diese Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf die Liquidität des Unternehmens.
In diesem Artikel lernst du daher, was man unter der Sollversteuerung bzw. der Istversteuerung versteht, worin sich die beiden Versteuerungsarten unterscheiden und wann bzw. wie du einen Antrag stellst.
Was ist die Sollversteuerung?
Die Sollversteuerung ist die Versteuerung nach den vereinbarten Entgelten. Das bedeutet, dass du die Umsatzsteuer für deine Rechnungen direkt in der Umsatzsteuervoranmeldung des Monats, in dem du die Rechnung geschrieben hast, angeben und ans Finanzamt abführen musst. Auch dann, wenn der Kunde die Rechnung erst einige Monate später bezahlt. Bei der Sollbesteuerung ist somit das Rechnungsdatum und nicht das Zahlungsdatum entscheidend.
Du musst die fällige Steuer also auf eigene Kosten und im schlimmsten Fall mit Zinsen vorstrecken. Das kann gerade bei Gründern zu Liquiditätsproblemen führen, vor allem wenn größere Rechnungen verspätet bezahlt werden oder der Kunde gar nicht zahlt (Zahlungsausfall). Die Umsatzsteuer für Ausgangsrechnungen musst du zu Beginn der Selbstständigkeit jeweils im Folgemonat an das Finanzamt zahlen. Dies gilt ebenso, wenn du deine Umsatzsteuer später nur noch quartalsweise meldest. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Kunden ihre Rechnungen bereits bezahlt haben oder nicht.
Beispiel einer Sollversteuerung
Du bist Webdesigner und stellst deinem Kunden am 30. Mai eine Rechnung über 1.190 Euro (1.000 Euro netto plus 19 % Umsatzsteuer). Dein Kunde bezahlt die Rechnung allerdings erst am 15. Juli, weil er ein Zahlungsziel von 45 Tagen hat.
Wenn du die Sollbesteuerung anwendest, musst du die 190 Euro Umsatzsteuer in dem Monat, in dem du die Rechnung ausgestellt hast, an das Finanzamt abführen (im Mai), obwohl du dein Geld noch gar nicht vom Kunden erhalten hast. Du gehst in diesem Fall also in Vorleistung gegenüber deinem Finanzamt.
Eine Alternative zur Sollversteuerung ist die Istversteuerung, für die du im Vorjahr einen Antrag beim Finanzamt stellen kannst.
Was ist die Istversteuerung?
Bei der Istversteuerung musst du die Umsatzsteuer erst dann gegenüber dem Finanzamt versteuern und dorthin abführen, wenn dein Kunde seine Rechnung bezahlt hat. Man spricht hier auch von der Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten. Das heißt, du gibst die Umsatzsteuer erst bei der Umsatzsteuervoranmeldung des Monats an, in dem das Geld tatsächlich bei dir eingegangen ist, und nicht bereits nach der Rechnungsstellung.
Vor allem bei Rechnungen mit hohen Summen kann die Istversteuerung von Vorteil sein, da sie dich vor finanziellen Engpässen schützen kann. Das Finanzamt kann nämlich kein Geld von dir fordern, das du noch gar nicht erhalten hast. Allerdings musst du für die Istversteuerung bestimmte Voraussetzungen erfüllen, auf die wir weiter unten noch detaillierter eingehen werden.
Die Istversteuerung eignet sich vor allem für neu gegründete und kleine Unternehmen, die viele Rechnungen mit hohen Umsatzsteuerbeträgen schreiben, da auf diese Weise Liquiditätsengpässe durch hohe Umsatzsteuervorauszahlungen aus offenen Forderungen vermieden werden. Darüber hinaus wird auch deine Buchhaltung einfacher, da du die Umsatzsteuervoranmeldung entsprechend deiner Geldeingänge machen kannst.
Beispiel einer Istversteuerung
Nehmen wir erneut das Webdesigner-Beispiel, bei dem du deinem Kunden am 30. Mai eine Rechnung über 1.190 Euro inkl. 19 % Umsatzsteuer schreibst. Der Kunde bezahlt die Rechnung wie vereinbart am 15. Juli.
Da du jetzt aber die Istversteuerung anwendest, musst du die 190 Euro Umsatzsteuer erst dann an das Finanzamt abführen, wenn du das Geld von deinem Kunden erhalten hast. In diesem Fall im Juli. Somit musst du nicht mehr gegenüber dem Finanzamt in Vorleistung gehen, was dir eine gewisse finanzielle Flexibilität verschafft.
Was ist der Unterschied zwischen Soll- und Istversteuerung?
Der Unterschied zwischen Soll- und Istversteuerung liegt im Fälligkeitsdatum der Umsatzsteuer, sprich dem Zeitpunkt, zu dem du die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen musst.
Bei der Sollversteuerung, die auch als Versteuerung nach vereinbarten Entgelten bezeichnet wird, musst du die Umsatzsteuer auf den vereinbarten Rechnungsbetrag bereits im Monat der Leistungserbringung bzw. Rechnungsstellung zahlen, unabhängig davon, ob du dein Geld überhaupt schon erhalten hast.
Im Gegensatz dazu führst du bei der Istversteuerung, der Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten, die Umsatzsteuer erst dann ab, wenn du das Entgelt von deinem Kunden erhalten hast.
Istversteuerung: Wann gelten Umsätze als vereinnahmt?
Als „vereinnahmt“ gilt eine Zahlung für die Steuer, sobald das Geld je nach Zahlungsart zu dir geflossen ist. Man bezeichnet das auch als die Entstehung der Umsatzsteuer. Hier sind ein paar Beispiele gängiger Vorgänge:
- Barzahlung: Zeitpunkt der Zahlung
- Überweisung auf Girokonten: Zeitpunkt der Gutschrift beim Geldinstitut
- Wechsel: Zeitpunkt der Einlösung des Wechsels
- Scheck: Zeitpunkt der Übergabe
Abtretung einer Forderung (Factoring): Zeitpunkt der Forderungsabtretung
Wer kann einen Antrag auf Istbesteuerung stellen?
Prinzipiell muss jedes Unternehmen erst einmal mit der Sollversteuerung arbeiten. Es gibt jedoch Möglichkeiten, auf die Istversteuerung zurückzugreifen. Einen Antrag auf Istbesteuerung kannst du stellen, wenn:
- dein Unternehmen weniger als 800.000 Euro Jahresumsatz macht (bis 31.12.2023: 600.000 Euro).
- du Freiberufler nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bist.
- du als Einzelunternehmer bzw. Kleinunternehmer nicht zur Buchführung und Bilanzierung verpflichtet bist (Befreiung nach § 148 Abgabenordnung (AO)).
Der Antrag auf Istversteuerung ist an keine Form gebunden. Du kannst ihn formlos und jederzeit an das zuständige Finanzamt stellen. Es gibt keine Fristen oder spezielle Formulare, die du berücksichtigen musst.
Wichtig: Grundsätzlich hat das Finanzamt einen Antrag auf Istbesteuerung zu genehmigen.
So stellst du einen Antrag auf Istbesteuerung
Wenn du vorhast, ein Unternehmen zu gründen, kannst du die Istbesteuerung direkt im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung beantragen. Liegt deine Gründung jedoch schon etwas zurück, musst du einen formlosen Antrag an dein zuständiges Finanzamt stellen. Folgende Angaben solltest du in deinem Schreiben machen:
- deine Steuernummer
- der Zeitpunkt, ab dem du die Istversteuerung nutzen willst
- deinen Gesamtumsatz des letzten Geschäftsjahres
Erfüllst du die Voraussetzung, dürfte der Genehmigung deines Antrages nichts im Wege stehen. Selbst eine rückwirkende Beantragung der Istversteuerung ist möglich. Sobald du die Bestätigung erhalten hast, kannst du zum angegebenen Zeitpunkt mit der Istversteuerung loslegen.
Wie funktioniert die Umsatzsteuervoranmeldung?
Bei der Umsatzsteuervoranmeldung musst du regelmäßig deine Umsatzsteuer, die du von deinen Kunden erhoben hast, dem Finanzamt melden. Dabei spielt es eine wichtige Rolle, ob du dich für die Soll- oder Istversteuerung entscheidest, da das – wie du mittlerweile schon weißt – festlegt, wann du die Umsatzsteuer melden und bezahlen musst.
Am Ende deines Geschäftsjahres musst du außerdem eine Umsatzsteuererklärung abgeben. Bei dieser Erklärung werden die bereits eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen angerechnet.
Gleichzeitig kannst du die von dir gezahlte Umsatzsteuer auf betriebliche Einkäufe und Ausgaben, die sogenannte Vorsteuer, von deiner abzuführenden Umsatzsteuer (Umsatzsteuerschuld) abziehen. Die Differenz aus eingenommener und gezahlter Umsatzsteuer ergibt schließlich deine Zahllast (oder einen Rückerstattungsanspruch) gegenüber dem Finanzamt.
Deine Umsatzsteuervoranmeldung musst du bis zum 10. des Folgemonats beim Finanzamt einreichen und deine Zahllast bis zu diesem Stichtag überweisen. Je nach Höhe deiner Umsätze machst du das monatlich, vierteljährlich oder jährlich. Existenzgründer müssen bspw. in den ersten beiden Jahren ihrer Selbstständigkeit jeweils monatlich eine Umsatzsteuervoranmeldung abgeben. Du kannst allerdings eine Dauerfristverlängerung beantragen und hast (bei einer Genehmigung) einen Monat länger für die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung Zeit.
Wenn du als Selbstständiger nicht von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch machen kannst oder willst, ist die Umsatzsteuer ein durchlaufender Posten für dich. Denn du verlangst von deinen Kunden Umsatzsteuer, die du ans Finanzamt abführst. Ebenso bekommst du aber auch die Mehrwertsteuer von den Lieferanten erstattet.