Gründen „50 Plus“ – für die Selbstständigkeit ist es nie zu spät!
„Dafür bist du doch viel zu alt!“ Beim Thema Existenzgründung denken viele Menschen automatisch an hippe Startups mit jungem Geschäftsführer. Dazu eine ebenso junge Belegschaft. Gründer sind in den Köpfen der Öffentlichkeit jung und nicht alt. Für uns Grund genug mit diesem Vorurteil aufzuräumen.
Gründen geht nämlich auch problemlos mit einigen Jahren an Lebenserfahrung. Für Menschen „50 Plus“ kann das Aufbauen einer eigenen Existenz eine lohnenswerte Alternative zum bestehenden Arbeitsverhältnis sein. Für einige ist es sogar der Ausweg aus der Arbeitslosigkeit, denn sie machen sich als Arbeitsloser selbstständig .
Im heutigen Blogbeitrag zeigen wir, dass es für den Schritt hin zur Selbstständigkeit nie zu spät ist. Welche Dinge du beachten kannst, damit das ganze Unterfangen ein Erfolg wird, erfährst du hier.
Existenzgründungen in Deutschland – Zahlen und Fakten
Um in die Materie einzutauchen und sich näher mit dem Thema Gründen „50 Plus“ auseinanderzusetzen, macht es Sinn zunächst einen genaueren Blick auf Existenzgründungen in Deutschland zu werfen. Dank der Daten des KfW-Gründungsmonitors 2017 konnten wir das tun und haben folgende Infos parat.
Fast j eder vierte Gründer ist laut der Studie also bereits über 45 Jahre alt . Ein Ergebnis, dass eines ganz deutlich zeigt: Existenzgründungen kommen nicht nur für junge Menschen in Frage.
Neben der prozentualen Anzahl an „erfahrenen“ Gründern lassen sich objektiv einige Vor- und Nachteile aufzeigen, die das Gründen im Alter mit sich bringen. Ebenso gilt es Motive für Existenzgründungen „älterer“ Menschen aufzuzeigen. Beides habe wir von sevdesk für dich getan.
Soweit die Theorie und die Faktenlage zu Existenzgründungen „50 Plus“ in Deutschland. Wir wollen nun aber Tipps aus der Praxis und haben uns deshalb mit Florian Appel einen Experten ins Boot geholt.
Das Interview mit Florian Appel: Gründen „50 Plus“
Florian Appel, Sie sind Leiter von startUp.Connect Ortenau . startUp.Connect ist eine Gründerinitiative der Wirtschaftsregion Ortenau (WRO) , die gründungswillige Menschen hier in der Region dabei unterstützt ihre Geschäftsideen zu verwirklichen und sich selbstständig zu machen.
In Puncto Existenzgründungen sind Sie ein Fachmann. Ich möchten mich heute mit Ihnen über eine ganz bestimmte Personengruppe von Existenzgründern unterhalten. Konkret geht es um das Thema „Gründen 50 Plus“. Also um Menschen im Alter über 50 Jahren, die sich zum Schritt hin zur Selbstständigkeit entscheiden.
Was sind aus ihrer Erfahrung heraus Beweggründe für Menschen über 50 Jahre den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen bzw. sich zur Existenzgründung zu entschließen?
Es ist so, dass wir hier bei der WRO ein sehr gemischtes Publikum haben. Wir haben viele junge Menschen, die noch in der Ausbildung sind – also entweder Studieren oder sich in der Ausbildungsphase in einem Betrieb befinden. Aber die Tendenz geht tatsächlich in die Richtung, dass auch immer mehr „ältere“ Menschen zu uns in die Beratung kommen.
Zu uns kommen immer mehr „erfahrene“ Gründer.
Es gibt eine recht große Zielgruppe von Menschen, die eigentlich schon immer Gründen wollten, sich aber nie getraut haben. Häufig weil vermeintlich die Rahmenbedingungen nie gestimmt haben und sie es deshalb einfach nicht gemacht haben. Diese Menschen tragen diese Leidenschaft bzw. diesen Wunsch gefühlt aber schon ein ganzes Leben in sich.
Ich würde dabei nicht nur von „50 Plus“ sprechen. Es beginnt wahrscheinlich schon ein bisschen früher, im Alter von Mitte 40. Viele Personen überlegen an dieser Stelle im Leben einen Schnitt zu machen. Finanziell ist man als Berufstätiger in dieser Phase in der Regel abgesicherter als ein junger Mensch. Ideale Voraussetzung also um etwas Neues zu wagen.
Es spielen dann sicherlich verschiedene Motive eine Rolle. Ein großer Punkt ist das Thema Selbstverwirklichung. Im klassischen Angestelltenverhältnis kommt das für viele Menschen zu kurz. Ein weiteres Motiv ist der Wunsch sein eigener Chef zu sein und die eigene Idee umzusetzen.
Im Anschluss an die Gründung hat man noch 20 Jahre Zeit.
Entgegen der Meinung vieler habe ich im Alter um die 50 Jahre noch ausreichend Zeit, um die Existenzgründung umzusetzen. Realistisch betrachtet, habe ich im Anschluss an die Gründung noch 20 Jahre. Das ist mehr als genug, um ein Unternehmen aufzubauen.
Welche Herausforderungen muss man als Gründer „50 Plus“ bewältigen?
Eine große Herausforderung ist sicherlich den Sprung zu wagen und unter Umständen zumindestens am Anfang finanzielle Einschnitte hinzunehmen.
Es ist für Gründer in diesem Alter sicherlich eine Umstellung. Gerade wenn ich lange in einer Anstellung war und vielleicht auch ein sicheres Arbeitsverhältnis besessen habe, in dem ich unter Umstände auch noch gut verdient habe. Durch Kredite kann darüber hinaus eine gewisse finanzielle Abhängigkeit vorhanden sein, die die Existenzgründung zusätzlich erschwert.
Je älter ich werde und je länger ich etwas gemacht habe, desto schwieriger ist es für viele Menschen sich von diesen Dingen bzw. diesen Sicherheiten (fester Job, gesichertes Einkommen…) zu lösen.
Gründungen ab 50 scheitern seltener. Die Menschen sind reflektierter und erfahrener.
Auf der anderen Seite sind ältere Existenzgründer oft sehr erfolgreich. Gründungen ab 50 gehen seltener schief als Gründungen von jungen Menschen, da die Protagonisten häufig reflektierter und erfahrener sind und einfach sehr viel Know-How mit sich bringen. Die Wahrscheinlichkeit zu scheitern, sinkt durch diese Attribute deutlich.
Worin liegt ihrer Meinung nach der größte Unterschied zu Gründungen „junger“ Menschen?
Ganz pauschal kann man diese Frage sicherlich nicht beantworten. Häufig ist das branchenabhängig. In der Regel besitzen Gründer „50 Plus“ aufgrund ihres Lebensalters aber einfach mehr Erfahrung.
Dazu zählt beispielsweise ein gutes Vertriebsnetz. Wenn ich mich in einem Bereich selbstständig mache, in dem ich zuvor 20 Jahre gearbeitet, ist das ein großer Vorteil. Ich kann viele Kontakte in meine Selbstständigkeit mitnehmen und muss diese nicht erst aufbauen.
Nun ein Thema das uns von sevdesk als cloudbasierte Buchhaltungssoftware natürlich immer sehr am Herzen liegt – Stichwort Digitalisierung. Müssen sich Gründer „50 Plus“ in besonderem Maß an die Gegebenheiten einer digitalen Welt anpassen?
Ja, absolut. Das bemerke ich selbst bei meiner Arbeit immer wieder, dass gerade bei „erfahrenen“ Gründern mangelnde (digitale) Technikkenntnisse vorhanden sind. Viele sind sich gar nicht darüber bewusst, was heutzutage eigentlich möglich ist. Gerade wenn sie aus Unternehmen stammen, die selbst etwas konservativer aufgestellt waren.
Bei „erfahrenen“ Gründern sind mangelhafte Technikkenntnisse vorhanden.
Das ist ein Bereich, in dem ein riesiger Bedarf ist und wir von der WRO versuchen genau hier anzusetzen. Zum einen durch Beratung, zum anderen versuchen wir über unser Netzwerk Hilfestellungen zu geben und die Existenzgründer mit den richtigen Menschen zusammenzubringen, z.B. mit sevdesk.
Es geht in erster Linie darum Gründer „50 Plus“ aufzuzeigen, welche Möglichkeiten es überhaupt gibt. Man kann diese Dinge sehr gut erlernen, deshalb ist es umso wichtiger zu zeigen, was alles vorhanden ist.
Die Wirtschaftsregion Ortenau und speziell startUp.Connect Ortenau ist eine Anlaufstelle für neu entstehende Startups hier in der Region. Wenn ich Startup höre, muss ich ehrlich gesagt immer automatisch an junge Menschen bzw. junge Gründer denken. Sind Existenzgründer über 50 Jahren bei Ihnen ebenfalls in guten Hände und wie können Sie diese Menschen unterstützen?
Wir können jene Menschen am Besten mit unserem Know-How und unserem Netzwerk unterstützen, die ein skalierbares Geschäftsmodell haben. Da spielt das Alter in erster Linie keine Rolle. Also egal, ob ein Gründer 20 oder 60 Jahre alt ist. Wichtig ist, dass ein skalierbares Modell vorhanden ist, durch welches wir im Anschluss beratend tätig werden können.
Ein großes Investorennetz ist eine unserer großen Stärken.
Beratung heißt bei uns in diesem Kontext: Strategie und Marekting, aber auch die Vermittlung zu potenziellen Investoren. Wir besitzen ein großes Investorennetz. Das ist sicherlich auch eine unserer großen Stärken. Wie der Name schon erahnen lässt, steht startUp.Connect für das Zusammenbringen von Gründern mit Investoren und Mentoren aus dem WRO-Kreis.
Als Fazit bedeutet das: Existenzgründer „50 Plus“ sind bei uns genauso willkommen wie gründungswillige, junge Menschen.
Sie haben nun immer wieder ihr gutes Netzwerk bei der WRO und speziell bei startUp.Connect erwähnt. Können Sie dieses Netzwerk etwas näher beschreiben?
Das Startup-Thema mit startUp.Connect ist eigentlich erst seit Januar so richtig bei der WRO angesiedelt. Die Grundidee ist nun, dass es nicht nur darum geht Offenburg mit dem Technologiepark, sondern das gesamte Gebiet zu stärken und zu fördern.
Da Startups gerade hier in der Region mehr und mehr an Bedeutung gewinnen und auch das Thema Existenzgründungen immer stärker das Interesse der Menschen weckt, war es naheliegend diesen Bereich bei der WRO mitaufzunehmen.
Wir besitzen ein Netzwerk mit rund 160 Unternehmen in der Ortenau.
Wir haben nun mittlerweile ein Netzwerk, welches rund 160 Unternehmen in der Ortenau umfasst. Zu diesen Unternehmen haben wir einen direkten Zugang, in Form von Geschäftsführern, Vorständen und Eigentümern. Wir können hier also die ein oder andere Tür sehr viel leichter öffnen als das andere können.
Zusätzlich zum WRO-Netzwerk bauen wir gerade über startUp.Connect ein eigenes Netzwerk auf. Wir haben deshalb das Format startUp.Connect Night ins Leben gerufen. Zusammen mit dem Brauwerk Baden laden wir jeweils am letzten Mittwoch eines Monats abends zu einer Netzwerkveranstaltung ein. Es geht hierbei in erster Linie darum miteinader ins Gespräch zu kommen und verschiedene Startups und Gründer zusammenzubringen und im Anschluss diese beiden Gruppen miteinander zu vernetzen. Es soll eine Verbindung zwischen den etablierten Unternehmen und den Startups entstehen.
Das Netzwerk ist in dieser Form in Deutschland sicherlich einmalig und bietet tolle Möglichkeiten für Startups und Existenzgründer.
Über startUp.Connect und die WRO haben wir hier in der Region alle möglichen Netzwerkpartner. Das beginnt mit der Hochschule Offenburg, setzt sich dann aber auch überregional fort. Wir arbeiten beispielsweise intensiv mit den Universitäten in Straßburg, Karlsruhe und Freiburg zusammen. Zusätzlich halten wir engen Kontakt mit den Gemeinden und Kommunen im Einzugsgebiet.