Nebenberuflich selbstständig machen – Sidepreneur Peter-Georg Lutsch im Interview
Das eigene Ding machen. Das ist der Traum von vielen Festangestellten in Deutschland. Aber warum ist es nur ein Traum? Viele haben Angst ihren Arbeitsplatz und damit auch die finanzielle Sicherheit für das risikoreiche und selbstbestimmte Leben als Entrepreneur aufzugeben. „Nebenberufliche Selbstständigkeit“ ist der Ausweg aus dieser Misere und bietet die Möglichkeit seine Träume zu verwirklichen ohne zu kündigen.
Peter-Georg Lutsch ist auf diesem Gebiet ein Fachmann. Der Mitgründer von digital-media-manager.com und Redakteur bei Sidepreneur kann auf einen über acht Jahre andauernden Erfahrungsschatz zurückgreifen.
Seit seinem Eintritt in das Berufsleben treibt er neben seinem Hauptjob stetig nebenberufliche Projekte voran – und das mit Erfolg! Im heutigen Interview steht er mir zum Thema „Nebenberufliche Selbstständigkeit“ Rede und Antwort und zeigt dir, wie du nebenberuflich durchstarten kannst.
Das gesamte Interview gibt’s auf Soundcloud zu hören:
Was bedeutet für dich eigentlich nebenberufliche Selbstständigkeit?
Es ist ja oft so: Selbst wenn man im Hauptberuf Freiheiten genießt, es ist trotzdem irgendwie fremdbestimmt. Durch die nebenberufliche Selbstständigkeit hat man die Möglichkeit seine konkreten eigenen Projekte umzusetzen und das so zu machen, wie man sich das selber vorstellt. Es ist eine Möglichkeit der Selbstverwirklichung.
Warum sollte man sich nebenher selbstständig machen?
Ich glaube da gibt es ganz verschiedene Antriebsfedern. Es kann ein finanzieller Aspekt sein. Das heißt, dass man den ein oder anderen Euro dazu verdienen möchte.
Aber in der heutigen Zeit ist es auch häufig so, dass der vermeintlich sichere Job überhaupt nicht so sicher ist. Es kann ja relativ schnell gehen und dann hat man diese Sicherheit nicht mehr. Da ist es immer gut ein zweites Standbein zu haben.
Und natürlich ist dieser Punkt mit der Verwirklichung auch ganz wichtig. Weil so ein Herzensprojekt umzusetzen, das kann dich erfüllen. Es muss dabei nicht immer aus wirtschaftlichen Gründen betrieben werden, sondern auch einen wohltätigen Charakter haben.
Für wen ist nebenberufliche Selbstständigkeit geeignet, für wen ungeeignet?
Also grundsätzlich ist es so, dass für einen nebenberuflichen Unternehmer ähnliche Kriterien gelten, wie für einen hauptberuflichen Unternehmer. Gerade was die Eigenschaften des Charakters angeht. Das heißt es muss einfach der Wunsch bestehen, dass man Verantwortung für sein eigenes Schaffen übernehmen kann. Dass man Lust hat Projekte selbstständig voranzutreiben. Und nicht nur „einfach seine Zeit absitzt“ und nach Plan arbeitet.
Natürlich ist es bei manchen Berufsgruppen, ich denke da zum Beispiel an einen Unternehmensberater oder Arzt, schwer nebenberuflich noch etwas auf die Beine zu stellen. Wenn man von Grund auf schon eine 60-70 Stundenwoche hat, bleibt da für nebenberufliche Projekte kaum noch Zeit. Denn Fakt ist: man braucht auch Zeiten, in denen man sich einfach erholen kann.
Allerdings sind selbst bei Ärzten und Unternehmensberatern, um in der stark ausgelasteten Berufsgruppe zu bleiben, nebenberufliche Projekte möglich. Voraussetzung wäre hier allerdings sicherlich, dass man die hauptberufliche Tätigkeit zurückfährt bzw. reduziert.
Den Vorteil, den ich ganz allgemein bei einer nebenberuflichen Selbstständigkeit sehe, ist, dass man im Vergleich zum normalen, hauptberuflichen Unternehmertum kein so großes Risiko eingeht. Man hat ja den Hauptjob als Absicherung und kann deswegen einfach ein bisschen freier agieren.
Welche Maßnahmen muss man im Vorfeld ergreifen, um als Sidepreneur durchzustarten?
Es bietet sich natürlich immer an einen Plan zu haben. Das muss nicht ein ausgeklügelter Businessplan im klassischen Sinne sein. Ich bin ein sehr großer Befürworter des Lean-Startup Prinzip. Einfach um seine Prozesse zu visualisieren. Das heißt: Wo möchte man hin? Welche Ziele hat man? Worauf muss man achten?
Es geht beim Lean-Startup Modell darum, dass man die Antworten zu diesen Fragen immer präsent hat. Bei der Visualisierung umfasst es Dinge wie „Welche Marketingkanäle möchte ich bedienen?“, „Was sind meine Key-Ressourcen?“ oder „Wie sieht meine Kostenstruktur aus?“. Es geht dabei darum sich einen Überblick zu verschaffen und zu überprüfen ob die persönliche Planung überhaupt machbar ist.
In einem nächsten Schritt geht es um ganz praktische Dinge: Welche Gesellschaftsform wähle ich? Bin ich Gewerbetreibender oder bin ich Freiberufler? Es gibt da praktischerweise eine Liste mit freien Berufen. Je nach dem muss man eine Anmeldung machen.
Natürlich muss man auch Sachen wie die Steuer und Krankenversicherung im Blick behalten. Hier als kleinen Tipp: Wenn man nicht mehr als 20 Stunden für seine nebenberufliche Tätigkeit aufbringt, muss man keine zusätzliche Krankenversicherung bezahlen. Es sei denn, das Nebengewerbe übertrifft bei Weitem die Einnahmen gegenüber dem Angestelltenverhältnis.
Das sind Tipps, da sollte man sich im Vorfeld erkundigen, um nicht zusätzliche Kosten zu generieren oder gar rechtlichen Probleme zu bekommen.
Was sicherlich auch ein wichtiger Punkt ist. Man befindet sich abgesehen von den rein wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekten in einem sozialen Umfeld. Man sollte sich also auch bei seiner Familie und bei seinen Freunden erkundigen, ob sie deine nebenberuflichen Projekte mittragen oder ob das für sie eher schwierig ist. Auch in diesem Bereich empfehle ich, dass man mit seinem privaten Umfeld vorab Gespräche führt.
In welchen Bereichen kann man sich nebenberuflich selbstständig machen? Hast du eine Lieblingserfolgsgeschichte?
Ich bin damals mit Dienstleistungen, konkret Online-Dienstleistungen im Bereich Online-Marketing, eingestiegen.
In meinen Augen ist das immer ganz gut mit einer Dienstleistung zu starten, da man eigentlich kein Risiko hat. Man hat nicht die Gefahr, dass man irgendwas produziert, was im Anschluss vielleicht gar keinen Abnehmer hat.
Auf der nächsten Stufe kann man dann sicherlich auch Produkte im Internet vertreiben. Das muss dabei nicht immer der eigene E-Commerce Shop sein, sondern zurzeit geht es ja ganz stark in Richtung Online-Marktplätze. Als Beispiel muss man hier sicherlich den Amazon Marketplace nennen.
Und zum Thema „Meine Lieblingserfolgsgeschichte“. Da gibt es tatsächlich eine ganz Interessante, die mich selbst inspiriert hat. Es geht um Thomas Bachem. Er ist ehemaliger Mitgründer von sevenload, welches vor einigen Jahren als deutschsprachiges Pendant zu Youtube entwickelt wurde.
Während seiner Zeit bei sevenload hat er ein Sideprojekt gelauncht, dass der ein oder andere sicherlich kennt. Es ist lebenlauf.com. Es ist ein einfacher Editor, wo man online seinen Lebenslauf verwalten und anpassen und im Anschluss auch problemlos herunterladen kann. Wenn man sich irgendwo bewerben will ,hat man mit wenigen Mausklicks und überschaubarem Aufwand einen aktuellen Lebenslauf.
Thomas Bachem hat das damals als Sideprojekt gestartet, ohne sich davon die ganz großen finanziellen Erfolge zu erhoffen. Anfangs verlangte er für seine Dienstleistung 5,99 €, bis irgendwann eine große deutsche Karriereplattform (Xing, Anm. d. Red.) auf ihn aufmerksam wurde. Schließlich und endlich hat er seinen ursprünglich als Nebenprojekt gestarteten Lebenslauf-Editor 2014 für einen siebenstelligen Euro-Betrag verkauft.
Diese Geschichte zeigt ganz schön, wohin einen ein Sideprojekt führen kann.
Muss der hauptberufliche Arbeitgeber in die Pläne rund um die nebenberufliche Selbstständigkeit eingeweiht werden? Wenn ja, wie überzeuge ich meinen Arbeitgeber mich bei meinem Wunsch nach nebenberuflicher Selbstständigkeit zu unterstützen?
Grundsätzlich bin ich kein Jurist, deswegen kann ich an dieser Stelle nur meine eigenen Erfahrungen und meinen eigenen Wissensstand wiedergeben. Meines Wissens gibt es per se keine gesetzliche Pflicht eine nebenberufliche Tätigkeit seinem Arbeitgeber zu melden. ABER. Es kann sein, dass sich Regelungen diesbezüglich aus dem Arbeitsvertrag oder dem Tarifvertrag ergeben. Deshalb sollte man sich solch einen Vertrag genau ansehen. Da gibt es manche Klauseln, die explizit verlangen, dass man Nebentätigkeiten angibt.
Wenn das nicht der Fall ist, gibt es gesetzlich allerdings keine Pflicht seinen Hauptarbeitgeber über eine mögliche nebenberufliche Selbstständigkeit zu informieren. Ausnahme davon ist der Fall, dass man in einen Wettbewerb mit seinem hauptberuflichen Arbeitgeber tritt.
Pauschal heißt das: Nein, man muss seinen Arbeitgeber nicht einweihen. Es bietet sich aber ganz allgemein an dies zu tun. Man fährt sicherlich am besten, wenn man mit offenen Karten spielt.
Und wie ich meinen Arbeitgeber nun dazu bekomme, dass er mich unterstützt?
Nun, zum einen ist es ja eigentlich eine riesige Weiterbildung, wenn man nebenberuflich selbstständig ist. Man lernt ohne weiteres Zutun, was unternehmerische Denke ist. Das kann man im Umkehrschluss wieder in seinen Hauptjob einbringen.
Zum andern denke ich, dass jeder Arbeitgeber mit zufriedenen Mitarbeitern arbeiten sollte. Jemand, der sich durch eine nebenberufliche Selbstständigkeit verwirklichen kann, der hat die Möglichkeit zufriedener im Hauptjob zu arbeiten.
Denn sind wir mal ehrlich. Was ist die Alternative? Ich habe einen unzufriedenen Mitarbeiter, weil ich ihm verbiete ein nebenberufliches Projekt zu verwirklichen. Dieser Mitarbeiter ist im Endeffekt nicht so produktiv für mich.
Wann ist der richtige Zeitpunkt aus seiner nebenberuflichen Selbstständigkeit den Hauptberuf zu machen? Wann sollte also aus einem Sidepreneur ein Entrepreneur werden?
Ganz pauschal lässt sich auch diese Frage nicht beantworten. Ich denke, dass man ab einem gewissen Punkt zu einer Auslastungsgrenze kommt. An diesem Punkt hat man die Möglichkeit mit Outsourcing etwas zu machen und zeitintensive Tätigkeiten abzugeben.
Dennoch ist es wahrscheinlich irgendwann so, dass man an seine Grenzen kommt. Da muss man ganz persönlich die Entscheidung treffen: Möchte ich das auf diesem Level beibehalten oder möchte ich weiterwachsen und noch was Größeres schaffen.
Das ist dann schlicht und ergreifend eine strategische Entscheidung, die man treffen muss.
Ein anderes Argument wäre, dass man sich durch seine hauptberufliche Tätigkeit finanziell abgesichert hat. Wenn man nun der Meinung ist, dass sich das nebenberufliche Projekt bei intensiverer Arbeit viel besser entwickeln würde. Dann ist das in jedem Fall ein guter Zeitpunkt, um zu sagen: Ich habe die finanzielle Sicherheit und gleichzeitig eine Vision. Hauptberuflich kann ich dieses Projekt nun besser vorantreiben.
Stichwort Work-Life-Balance: Wie hoch ist das wöchentliche Arbeitspensum?
Titel wie die „4-Stunden-Woche“ von Timothy Ferriss oder das „4-Stunden-Startup“ von Felix Plötz vermitteln ein sehr idealisiertes Bild. Grundsätzlich ist es sicherlich möglich mit vier Stunden pro Woche etwas voranzubringen. Aus meiner eigenen Erfahrung ist das allerdings sehr wenig Zeit. Bis man überhaupt in einen Workflow hereinkommt, dauert es schon eine Weile.
Aktuell liege ich bei etwa zehn Stunden, die ich neben meinem Hauptjob dazu investiere. Die meiste Zeit fällt dabei auf den Samstag, an dem ich mindestens den halben Tag als zusätzlichen Arbeitstag ansehe. Ich setze mich aber auch häufiger in den Abendstunden unter der Woche nach einigen gemeinsamen Stunden mit der Familie von 22 Uhr bis 0 Uhr an den Schreibtisch und treibe meine Projekte voran.
Zusammen mit meinem Hauptberuf, für den ich etwa 40 Stunden aufbringe, liege ich somit ungefähr bei einer 50 Stundenwoche, wobei das von Zeit zu Zeit problemlos auch eine 60 Stundenwoche sein kann.
Das muss man in dieser Form natürlich dann so wollen und sich dessen auch bewusst sein.
Gibt es spezielle Förderungs- und Finanzierungsmöglichkeiten?
Es gibt sehr viele Förderungsmöglichkeiten in Deutschland. Da bietet es sich immer an bei der IHK oder ähnlichen Institutionen anzufragen. Das Problem ist: diese Möglichkeiten sind häufig auf Vollzeitunternehmer ausgelegt.
Ich habe aber trotzdem an dieser Stelle zwei Möglichkeiten herausgesucht. Das ist zum einen der ERP-Gründungskredit – StartGeld nennt er sich. Der ist unter https://foerderdatenbank.de erreichbar. Diesen kann man unter Umständen auch beantragen, wenn man erstmal nur eine nebenberufliche Selbstständigkeit plant, aber die Aussicht hat dieses Business irgendwann Vollzeit zu machen.
Eine andere denkbare Alternative ist der Mikrokreditfonds Deutschland. Dieser ist unter https://www.mein-mikrokredit.de erreichbar und bietet die Möglichkeit Mikrokredite bis 20.000 € zu nehmen.
Bei einer nebenberuflichen Tätigkeit muss man immer bedenken, dass man einen Hauptberuf besitzt, mit dem man im Idealfall finanziell unabhängig ist. Dieser Hauptjob kann also gerade am Anfang zur Querfinanzierung dienen.
Welche Verdienstmöglichkeiten hat man als Sidepreneur?
Bei den meisten Leuten ist der Einstieg eine Dienstleistung, da das der einfachste Weg ist zu starten. Da man bei diesem Geschäftsmodell Zeit gegen Geld tauscht und die Zeit bei nebenberuflichen Projekten limitiert ist, ergibt sich automatisch auch ein Limit für die Verdienstmöglichkeiten. Man hat einen Stundensatz X und multipliziert diesen mit der aufgebrachten Zeit – das ist der Zuverdienst. Es kommt dabei immer auf den Bereich an, in dem man tätig ist.
Wenn man es irgendwann schafft ein eigenes Produkt an den Markt zu bringen, welches sich im Idealfall auch skalieren lässt, dann ist theoretisch keine Begrenzung vorhanden. Vielleicht mit Ausnahme der eigenen Arbeitskraft.
Das genannte Beispiel von Thomas Bachem zeigt, dass man durch ein Exit als nebenberuflicher Gründer ein Millionenbetrag einnehmen kann.
Dieses Beispiel ist leider und logischerweise nicht immer die Regel, da gerade im Online-Dienstleistungssektor der Markt sehr umkämpft ist. Aber man kann mit einem eigenen Produkt genauso wie ein „normaler“ Vollzeitunternehmer einen interessanten finanziellen Zuverdienst erzielen.
Welche negativen Aspekte bringt die nebenberufliche Selbstständigkeit mit sich?
Es ist natürlich immer ein Problem, dass manche Freunde nur schwer nachvollziehen können, warum du Freitagabend nicht feiern gehst, sondern frühzeitig schlafen, damit du am nächsten morgen früh aufstehen kannst, um deine Projekte voranzutreiben.
Da muss man viel kommunizieren damit im Umfeld ein Verständnis dafür entsteht. Es ist natürlich ein Einschnitt. Da muss man gar nicht drum herumreden. Wenn andere sich abends vor den Fernseher setzen, ist man selbst nochmal in der Pflicht und arbeitet.
Man muss priorisieren, was einem persönlich wichtig ist. Vielleicht gerade mit der Aussicht in einigen Jahren ganz andere Möglichkeiten zu haben als jemand, der das nicht so macht.
Das kann in diesem Fall eine riesige Motivation sein, auch wenn man für den Moment in seiner Freizeit Einschnitte hat. Man muss es letztendlich positiv sehen, da man das Ganze für sich tut. Mir fällt es mit diesem Gedanken meistens sehr leicht diese Mehrarbeit zu machen.